Dinkelsbühl

In der Reichsstadt Dinkelsbühl wurden Frauen und Männer als Hexen verfolgt und hingerichtet, von denen einige Frauen auch lebendig verbrannt wurden. Mit den mindestens acht angeklagten Männern wurde gnädiger verfahren.

Der Archivar Gerfrid Arnold hat korrekt und ausführlich die Hexenprozesse erforscht und eine Veröffentlichung herausgeben, in der auch die langwierigen Verhandlungen gemäß der Carolina mit den streng paritätisch bestimmten Ratsherren ausführlich verzeichnet sind [1]. In Dinkelsbühl ist seit einigen Jahren wie in der Stadt Zeil eine Dauerausstellung zur Hexenverfolgung im Rothenburger Torturm zu sehen.


Im Archiv der Stadt Dinkelsbühl sind die Akten der Hexenprozesse nicht vorhanden, aber die Sitzungsprotokolle des Inneren und Geheimen Rates sind überliefert und wurden übertragen. Insgesamt sind zwölf Verfahren bekannt. Aber auch hier ist die Aktenlage vor allem im 16. Jahrhundert unvollständig. Die vorhandenen Stadtratsprotokolle beginnen erst 1620.

Die kleine Reichsstadt grenzte im Südwesten an das Gebiet der katholischen Komturei Ellwangen, das Ordenshaus und Herrschaftsgebiet der streng katholischen Deutschordensherren. 1588 wurden in Ellwangen in 75 Bränden ca. 320 BürgerInnen als Hexer und Hexen hingerichtet. Das wirkte sich auf die benachbarten Herrschaften aus. So wurden 1613 zwei aus Ellwangen stammende Schwestern Maria Gurr und Catharina Gassner, weil sie in Ellwangen in Verhören bezichtigt worden waren, in Dinkelsbühl festgenommen und nach Verhör und Folter hingerichtet. Dies waren – soweit bekannt – die ersten Todesurteile in Hexenprozessen in der Reichsstadt.

In einer Übersicht nennt der Archivar Arnold für das Jahr 1611 drei der Hexerei angeklagte Frauen, für das Jahr 1613 zwei Todesurteile, für 1645 die Hinrichtung einer evangelischen Hebamme und für die Jahre 1655/56 einen größeren Serienprozess mit acht angeklagten Frauen. Zwei beschuldigte Ehefrauen von Ratsherren wurden nicht vernommen. Vier Frauen wurden verurteilt und hingerichtet, eine starb im Gefängnis. Zwei der Hexerei angeklagte Frauen wurden der Stadt verwiesen, weil sie nicht gestanden hatten. Die Urteile in diesen Prozessen fällte erstmals der seit 1649 paritätisch besetzte Rat. 1658 wurde Sebastian Zierer wegen gestandenem Schadenszauber mit dem Schwert hingerichtet. 1656 kam es noch zu weiteren Beschimpfungen von mehreren Männern und Frauen untereinander wegen des Verdachts auf Schadenszauber, die aber keine schwerwiegenden Folgen hatten.


Weitere Verfahren folgten mit der letzten nachweisbar als Hexe hingerichteten Barbara Huckler, sowie 1661 mit angeklagten Männern und einer Frau, die aber nicht verurteilt wurden. Der bei dem bekannten Schriftsteller Christoph Schmid erzählte Fall von 1740 ist nicht belegt.

Die evangelische Hebamme wurde 1645 als Hexen beschuldigt. In diesen Jahren bestand der Innere Rat lediglich aus 15 katholischen Ratsherren. Ebenso waren die beiden Bürgermeister und die zwei Geheimen Räte katholisch, also alle Gerichtsherren. „Vermutlich hatte es bei der Geburt eines katholischen Kindes Schwierigkeiten gegeben, vielleicht kam es tot zur Welt. Die evangelische Hebamme mit Vornamen Euphrosine wurde verhaftet. Man zwang sie katholisch zu werden.“ [2] Sie wurde verurteilt und am 7. Juli 1645 mit dem Schwert hingerichtet und anschließend verbrannt.


Für die Jahre 1649-1709 sind weitere Verfahren wegen Hexerei und Zauberei notiert, die von den inzwischen streng paritätisch bestellten Ratsherren und Juristen, jeweils 9 evangelische und 9 katholische verhandelt wurden.


 

Konfessionskämpfe

In Dinkelsbühl traten schon um 1520 lutherische Prediger auf. Im Bauernkrieg weigerte sich die Bürgerschaft, gegen die Bauern ins Feld zu ziehen. Deshalb mußte sie später 4.000 fl. (Gulden) Strafe an den Schwäbischen Bund zahlen. 1531-1545 setzte sich die Reformation in Dinkelsbühl durch. In den folgenden Jahren wurden die Protestanten unterdrückt. Die katholische Minderheit stellte alleine den Rat der Stadt und verbot lutherische Versammlungen in den Häusern, zeitweise auch in der Spitalkirche, in der evangelische Gottesdienste gefeiert wurden. Kaiser Karl V. selber hatte zugunsten der wenigen, aber wohlhabenden katholischen Adligen eingegriffen. Das war ungewöhnlich und wurde von der mehrheitlich evangelischen Bürgerschaft als ungerecht empfunden.


Nach Jahren der Unterdrückung der Lutheraner und der Willkürherrschaft der katholischen Oberschicht, setzten die Protestanten beim Reichskammergericht in Speyer durch, daß sie bei ihrem Glauben verharren durften.


Seit 1649 wurde die Stadt paritätisch regiert, das bedeutete, dass alle Ämter mit Katholiken und Protestanten zu gleichen Teilen besetzt wurden bis hinunter zum Brunnenschmecker, zur Hebamme und zum Scharfrichter. Es gab dann jährlich 4 Bürgermeister, die sich in der Amtsführung abwechselten, 14 Ratsherren, die jeweils zur Hälfte von den Katholiken und zur Hälfte von den Protestanten zu wählen waren. Die Protestanten durften weiterhin nur in der kleinen Spitalkirche Gottesdienst halten, während den Katholiken die geräumige, spätgotische St. Georgskirche als Stiftskirche und vier weitere Kirchen zur Verfügung standen.


Die andauernden Streitereien und gegenseitigen Beschuldigungen sowie der Glaubenshass auf beiden Seiten haben sich vermutlich auch auf die Hexenprozesse ausgewirkt.


Die erste Beschuldigte des großen Prozesses 1655/56 war eine Protestantin, die in der Folter katholische Frauen als Truten angab [3].


Dieser Prozess wurde von Archivar Arnold peinlich genau dargestellt. Er begann am 17.9.1655 damit, dass ein Ehemann seine Ehefrau als Giftmischerin angezeigte. Er hatte sie erst kurz zuvor in zweiter Ehe geheiratet. Der Prozess endete nach 13 Monaten mit der Hinrichtung von fünf Frauen. Diese waren Sibilla Bidermann, Margaretha Link, die Totengräberin Eva Peter, Catharina Däubler und Anna Strauß. Da die evangelische Linkin, die Mutter der Bidermännin, mehrfach ihr Geständnis widerrufen hatte und bekannte, sie wolle „wie eine Märtyrin“ sterben, befürchtete der Rat einen Skandal bei der Hinrichtung. Der evangelische Pfarrer wurde zu ihr ins Gefängnis geschickt, um ihr das Abendmahl zu verweigern, wenn sie nicht einsichtig wäre. Sie schrie bis zuletzt und beteuerte ihre Unschuld. Die Verurteilten wurden an der alten Nürnberger Straße heute Mutschaweg Gnaden halber mit dem Schwert hingerichtet und anschließend verbrannt. Es wurde Befehl gegeben, auf einen etwaigen Widerruf der Verurteilten nicht zu achten. Mehrfach hatten sich ihre Söhne und Männer für sie eingesetzt und um gnädige Hinrichtung ohne Feuer gebeten.


Die ebenfalls angeklagte katholische Margaretha Buckel des Tuchmachers Frau war einen Tag vor ihrer Hinrichtung im Gefängnis verstorben. Dies erscheint mysteriös. Auf der Karteikarte der Kartothek steht vermerkt: „Ihre unvermutete Todesursach ist Gott am besten bekannt, weil sie der Kapuziner Pflegerin gewesen und tags vorher von ihnen das Abendmahl empfangen. Sed sapienti sat ira.“


Die beiden Frauen Susanne Stadtmüller (die „Segriner Hirtin“?) und Mangoldts Weib gestanden trotz mehrfacher Folter nicht. Sie wurden als „halsstarrig und verstockt“ beschimpft. Sie sagten, sie seien keine Unholden, sondern die verbrannten Weiber hätten sie zu Unrecht angezeigt. Schließlich wurde Frau Stadtmüller, die zu aller Schrecken immer wieder laut geschrien hatte, auf Urfehde schwörend aus der Stadt gewiesen. Frau Mangoldt verblieb in Haft, bis nach 20 Tagen ihr Mann, der Tuchscherer Michel Mangold beim Rat vorsprach. Frau Mangold wurde nun ebenfalls der Stadt verwiesen, denn sie blieb dabei, sie sei kein Hex.


Jetzt ging es noch um die Kosten der Prozessführung. Der Rat hatte beschlossen, die Vermögen der Hingerichteten nicht einzuziehen. Offenbar stand dies im Belieben der Ratskonsulenten. Aber sie berechneten die Unkosten der Prozessführung mit 390 Gulden 6 Pfund und 1 Pfennig. Diese Kosten waren von den Angehörigen zu zahlen.


Bemerkenswert ist, dass die tapfere Margaretha Buckel ihr in der Folter abgelegtes Geständnis mehrfach widerrufen hatte. Sie war am Tag vor ihrer Hinrichtung im Gefängnis verstorben. Ihr Ehemann, der Lichtermacher Simon Buckel wurde beim Rat vorstellig, weil er die ihm zugemessene Summe für die Prozesskosten nicht bezahlen wollte. Seine Frau hatte ja kein Geständnis abgelegt. Er wurde wegen Aufmüpfigkeit ins Narrenhaus gesperrt.

Bei diesem Prozessverfahren, das genauestens protokolliert wurde, ist weiterhin bemerkenswert, dass auch Juristen und Ärzte, immer jeweils ein katholischer und ein evangelischer hinzu gezogen wurden. Dabei beantragte der katholische Ratskonsulent Dr. Benz mehrfach dem Aberglauben geschuldete Verhörverschärfungen, wie das Haare Abschneiden oder das Einkleiden in einen taschenlosen Kittel. Seinen Anträgen wurde statt gegeben. In Ansbach waren derlei Machenschaften als „papistisch“ gerügt worden.

 

  

Die Besagungen in der Folter untereinander:

 



 


Quellen dieser Seite:

[1]   Gerfrid Arnold, Hexen und Hexer in Dinkelsbühl, Dokumentation zur Ausstellung im Rothenburger Torturm Hexen und Hexer in Dinkelsbühl, Dinkelsbühl, 2006, ISBN 3- 8334 - 5355-9. Ders. Entstehung und Niedergang der evangelisch-lutherischen Staatskirche der Reichsstadt Dinkelsbühl, 450 Jahre Augsburger Religionsfriede 1555, in: Alt-Dinkelsbühl, Mitteilungen aus der Geschichte Dinkelsbühls und seiner Umgebung, Beilage der „Fränkischen Landeszeitung“, 5./6.11.2005. 

[2]   Arnold, 2006, 57. 

[3]   Hexenprozesse in Dinkelsbühl, in: N. N., Alt-Dinkelsbühl, Mitteilungen aus der Geschichte Dinkelsbühl und seiner Umgebung, Nr. 6, 31. Dezember 1929 und Auskunft des Archivar Hermann Meyer. Lit: Christian Bürckstümmer, Geschichte der Reformation in der ehemaligen Reichsstadt Dinkelsbühl, 1524 bis 1648, Leipzig, 1914.