Rothenburg ob der Tauber

In der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber mit 6 000 Einwohnern und ihrem zugehörigen Landgebiet von insgesamt 811.000 Bewohnern, das seit 1544 lutherisch war, waren insgesamt 65 Personen in Hexenprozesse verwickelt. Aber es wurden lediglich drei Frauen wegen Hexerei zum Tode verurteilt und durch das Schwert hingerichtet.

Wahnähnliche Verfolgungen mit “Kettenreaktionsprozessen” und vielen Hinrichtungen hat es dort im 16. und 17. Jahrhundert nicht gegeben.

 

In sechzehn Fällen wurde nach Besagung, Verdacht oder Selbstbezichtigung die Anklage wegen Hexerei oder Zauberei erhoben.

Die beiden hingerichteten Magdalena Dürrin aus Standorf (1629) und Anna Margaretha Rhonin aus Rothenburg (1673), die sich selbst beschuldigt hatte, waren zudem auch Kindsmörderinnen. Das dritte Todesurteil betraf Barbara Ehness aus Rothenburg, die 1692 in der Folter den Giftmord einer Familie gestanden hatte.

 

Die Juristen führten weitläufige Prozesse mit zahlreichen Verhören und Gutachten, in denen sie sich streng nach dem kaiserlichen Recht, der Carolina richteten. Diese verlangt einen Nachweis des Schadens durch Zauber, bevor verurteilt werden konnte, der oftmals nicht erbracht wurde. Während anderenorts zur Erpressung eines todeswürdigen Geständnisses unverzüglich gefoltert wurde, waren die Rotheburger Ratsherren dabei eher zögerlich.

Sie richteten sich wohl nach der Handhabung der  Rechtsverfahren in Nürnberg und in anderen protestantischen Reichsstädten wie Weißenburg oder Windsheim.

In Rothenburg waren Juristen und Theologen sich bei der Beurteilung der Fälle einig. Das war eine Ausnahme.

 

22 Menschen wollte eine Dreizehnjährige beim Hexentreffen gesehen haben. Aber dies wurde als böswillige Bezichtigung abgetan.

13 Personen wurden auf ewig verbannt und

21 ohne Strafe aus der Haft entlassen.

28 Kläger wurden wegen Verleumdung verwarnt oder verbannt.

 

Die Bezichtigungen einer Teilnahme an Hexentreffen werteten die Juristen als nicht verwendbar.

Besonders besonnen sind die Juristen Dr. Schäfer und Dr. Seutter sowie der Theologe Zyrlein zu nennen. Sie waren wirkten mäßigend.

 

Die verantwortungsvollen Juristen wollten, wie sie mehrfach bekundeten, unbescholtene Bürgerinnen schützen und sie wollte auch aus wirtschaftlichen Gründen den guten Ruf und den Frieden in der Handelsstadt nicht gefährden.

 

Der Rat fürchtete zurecht Unruhe unter der Bevölkerung in den Zeiten der gewalttätigen Übergriffe, die in den katholischen benachbarten Herrschaften mehrfach statt fanden. In Ellwangen wurden zwischen 1611 und 1618 ca. 400 Menschen als Hexen verbrannt, im Hochstift Würzburg zwischen 1616 und 1630 insgesamt ca. 1200, im Hochstift Bamberg zwischen 1616 und 1630 ca. 900 [1]

 

 

Zwei junge Mädchen 1627 und 1629

 

Im Mai 1627 wurden die Einwohner von Gebsattel (ein großes Dorf südöstlich von Rothenburg) von den seltsamen Geschichten eines dreizehnjährigen, verwaisten Mädchens, das in der naheliegenden Siechenmühle diente, höchst beunruhigt. Margaretha Hörberin behauptete, daß der Satan mehrere Male zu ihr in die Siechenmühle gekommen sei, um sie vom Beten abzuhalten. Er erschien in mehreren Gestalten, als Ochse, als Geiß, als Schnecke und als schwarzer Mann (mit dem sie Geschlechtsverkehr gehabt haben wollte). Margaretha fügte hinzu, daß die verstorbene Hebamme aus Gebsattel ihre Tochter Eva und eine Bettelfrau aus Bockenfeld sie auf einer goldenen Ofengabel zu mehreren Hexentänzen mitgenommen hätte. Sie nannte auch 22 Einwohner von Gebsattel, die sie dort gesehen haben wollte.

Der Siechenmüller Hans Hermann entließ Margaretha, schickte sie sofort zu ihrem Vormund (Michael Hörber von Gebsattel) und berichtete dem Rat in Rothenburg von allem. Der Rat verhaftete Margaretha am 16. Mai 1627 und sperrte sie während der Untersuchung des Falls im städtischen Büttelhaus ein.

Der Ratsherren Rothenburgs und dessen juristische und geistliche Berater glaubten nicht, daß die Margaretha wirklich Hexentänze usw. erlebt habe, sondern daß alle ihre Behauptungen nur teuflische Verblendungen gewesen seien.

Der Ratskonsulent Christof Conrad Seutter empfahl eine körperliche Untersuchung des Mädchens durch die städtischen Hebammen, um den vermuteten Geschlechtsverkehrs mit dem Satan zu widerlegen, was auch geschah.

Das Oberhaupt der Rothenburgischen Kirche, Superintendent Georg Zyrlein, erklärte in seinem Gutachten, daß Margarethas Aussage “...alles anders nichts [ist], als dess teuffels blendwerck, welches er bey denen leicht mag üben, die nicht in Gottes Furcht leben, und fleissig betten ...”

Am 8. Dezember kam die Waise ins städtische Armenhaus. Am 13. Februar 1628 wurde sie freigesprochen.

 

Diese Prozessführung sollte wohl auch die juristische und konfessionelle Unabhängigkeit der Reichsstadt Rothenburg zur Zeit der Glaubensauseinandersetzungen bekunden.

 

Gebsattel war ein Dorf getrennter Herrschaft: ca. 80% der Einwohner (einschließlich Margaretha Hörberin und ihres Vormundes Michael Hörber) waren Untertanen des katholischen Stifts Kornburg und 20% gehörten zu Rothenburg. Obwohl der Rothenburgische Stadtrat die Hohe Gerichtsbarkeit über Gebsattel hatte, gab es seit Jahrzehnten in Fragen der rechtlichen Zuständigkeit Streit zwischen den beiden Herrschaften. Dieser Streit verstärkte sich damals, als das Stift mit Unterstützung des Bischofs von Würzburg die Gegenreformation in Gebsattel durchzuführen und seine seit 1544 meistens lutherisch gewordenen Untertanen wieder gewaltsam zum katholisch Glauben zurück zu führe  versuchte. Als Kornburgische Untertanin hätte Margaretha Hörberin nach ihrer Selbstbeschuldigung nach Würzburg geschickt werden können, wo sie sehr wahrscheinlich bei den großen Hexenverfolgungen des Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenburg ums Leben gekommen wäre. Ihre lange Haft in Rothenburg ersparte ihr dieses und - zur Zufriedenheit der protestantischen Ratsherren – „unterwarf sie ihren Leib dem Rechtssystem Rothenburgs, ihre Seele dem Luthertum.“

 

 

Margareta Härter 1629

 

Weil  ihr beim Wasserholen ein Eimer umgefallen war, bezichtigten vorüber kommende katholische Reiter die l5jährige Margareta Härter, eine Hexe zu sein. Die Reiter waren bei zahlreichen Hexenverbrennungen in Würzburg tätig gewesen und behaupteten, Hexen zu kennen. Sie verspotteten die Männer in Bowenzenweiler, sie hätten “Druden-Weiber”.

In diesem Gebiet tobte derzeit der Dreißigjährige Glaubenskrieg mit zahlreichen Durchzügen und Gewalttaten des kaiserlichen Feldherrn Tilly.

Eine scharfe Gegenreformation erfasste die zumeist protestantische Bevölkerung.

 

In diesen unruhigen Zeiten war in der protestantischen Reichsstadt Rothenburg kein Rechtsbeistand vom Kaiser zu erwarten. Die Juristen und Ratsherren Rothenburgs waren daher auf Ruhe und Gelassenheit bedacht. Hexenhinrichtungen konnten in angespannten Situationen leicht zu Massenhysterie und Unruhe in der Bevölkerung führen.

So setzten sie die verschriene Margareta Härter aus Bowenzenweiler zwar im Kerker fest, verhörten sie aber nur gütlich. Dabei kam heraus. daß die Selbstbeschuldigungen aus Angst vor der Folter gemacht worden waren. Die 15jährige wurde mit Ruten geschlagen und aus dem Gebiet der Freien Reichsstadt vertrieben. So war es den besonnenen Juristen durch ihre klare Haltung gelungen, daß die Hexenbeschuldigungen keine weiteren Kreise zogen. [2]

 

 

 


Quellen dieser Seite:

[1]   Zahlen nach Wolfgang Behringer, 1987.

[2]   N. N., Artikelreihe in: Fränkischer Feierabend, Beilage zum „Fränkischen Anzeiger“ Rothenburg o. T., 1954–1959 und Alison Rowlands. Sie hat über die Hexenverfolgung in Rothenburg promoviert  und weitere Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, 2003, 2007. Leider liegt die Promotionsarbeit bisher in Englisch vor.