Drutenzeitung

In Nürnberg wurde 1627 während der Zeit der tobenden Glaubenskriege dieses Flugblatt mit Schauerberichten der Druten im Frankenland gedruckt und verkauft. Der Rat der Stadt beschlagnahmte einige Restexemplare und ließ den Druckstock vernichten, wohl um Unruhe unter den Bürgern und Bürgerinnen zu vermeiden.

 

Zu dieser Zeit hielten sich zahlreiche Flüchtlinge aus den umliegenden Fürstbistümern aus Glaubensgründen und aus Angst davor, als Hexe oder Hexer verbrannt zu werden, in der einflussreichen, protestantischen Reichsstadt auf. Dort war man bedacht darauf, möglichst keinen Anlass für ein kaiserliches Einschreiten oder einen Entzug der Handelsprivilegien zu bieten und man war großzügiger, obwohl auch hier einige Frauen als Hexen verbrannt wurden.

 

In der Drutenzeitung wird sensationell über zahlreiche Hexen und ihre verderblichen Künste in Bamberg, Würzburg und Freudenberg (bei Amberg) berichtet.

Auch Zaubermittel und ihre Wirkungen werden in diesem Blatt kundgetan. Viele befriedigten ihren Sensationsbedarf mit Gruselnachrichten. Ähnliches bieten heute die Bild-Zeitung und andere Druckwerke oder Filme. Ein Körnchen Wahrheit muss immer dabei sein.

 

In der Art einer schrecklich-schauerlichen Moritat, wie damals die neuesten Ereignisse auf den Straßen, auch denen, die nicht lesen konnten, zum Vortrag gebracht wurden, werden die “grässlichen Ereignisse” aus bekannten Verfolgungsorten in den katholischen Bistümern Würzburg, Bamberg, Freudenberg und anderswo vorgetragen. Dabei wurden oftmals Bilder gezeigt und dann für ein paar Kreuzer der Einblattdruck verkauft.

 

Dieser Druck war Kosten günstiger und hielt länger, als der neue Druck mit beweglichen Lettern aus Blei. Er eignete sich für Heiligen - Bildchen, Flugblätter und „Zeitungen“ fürs Volk oder für den „Pöpel“, wie damals wohlhabendere Bürger verächtlich Ungelernte, Gesellen, Dienstpersonen, Tagelöhner, Arme und Bauersleute bezeichneten.

Flugblätter unterschiedlichster Art mit Text und Bild, manchmal koloriert, waren seit Beginn der Reformation weit verbreitet. Im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg wird im Kupferstichkabinett eine große Anzahl aufbewahrt.

 

Sie zeigen Bilder von schrecklichen Missgeburten mit zwei Köpfen, sie zeigen bedrohliche Himmelserscheinungen, besondere Verbrechen und Verbrecher und deren Hinrichtung, wenn diese für alle braven Bürger beruhigend wirkte. Selbstverständlich waren alle Texte so abgefasst, dass die Obrigkeit nichts daran auszusetzen hatte, sonst wurden die Papiere beschlagnahmt. Es waren also alle Texte zensiert.

Ob nun diese gräulichen Druten - Geschichten, die auf diesem Flugblatt erzählt werden, von allen geglaubt wurden, wissen wir nicht.

 

Ich denke, es gab eine große Anzahl Bürger und Bürgerinnen, die Widersinniges und Unvernünftiges, z. B. dass Druten „in Lüften hoch fahren“, in ein Keller fuhren und „oftmals gut Muskateller trinken“, oder dass ein als Teufel verkleideter Henkersknecht zu einer als Hexe verdächtigten in die Zelle kam, wie hier berichtet wird, nicht glaubten. Die Formulierung: „sie hat nicht geschmeckt den Braten, / was das war für ein Spiel sei“, ist durchaus doppeldeutig. [1]

 

In Nürnberg fürchtete man sich vor Aufruhr und Volksverhetzung durch Fahrendes Volk. Daher hatten sich die Sänger und Verkäufer vor den Schergen des Rates der Stadt zu hüten. Etwa 60 Exemplare der Zeitung wurden eingezogen und zusammen mit dem Druckstock vernichtet.

Wie viele weitere Exemplare dieser Druten- Zeitung in Nürnberg und andernorts verkauft worden waren, wissen wir nicht. Es mögen nicht wenige gewesen sein, denn auch damals war die Sensationsgier groß. Offensichtlich waren die schaurig-schönen Verbrechen der “bösen Weiber”, die dem Teufel aus Wollust und Geldgier ihre Seele verschrieben hatten, anregend und belebend.

 

So wird u.a. erzählt, daß eine Wirtin ihren Gästen statt Hasen eine Katze als Mahlzeit vorgesetzt habe, daß Hexen auffliegen und in den Weinkellern Muskateller trinken, daß eine Hebamme zu Freudenberg “100 Kindern das Gehirn eingedrückt habe” und daß sie Hexenkinder gestohlen, sie dem Teufel verschrieben und dafür Wechselbälger untergelegt habe. Auch vom “Sotten” und Verzehr der Neugeborenen dem Teufel zuliebe wird berichtet. Bei allen Missetaten einer größeren Anzahl von Luderweibern wird nur von einem Mann berichtet, der sich aus Habgier dem Teufel verschrieben habe.

 

Auch die allseits bekannte Geschichte wird erzählt: ein Mann, der mit dem Teufel einen Packt abgeschlossen hatte, bot diesem bei seinem Tode aus Angst vor der Hölle die enorme Summe von 100.000 Gulden. Dennoch habe der Teufel ihm den Kopf umgedreht.

 

Die angefügten Zauberrezepte waren dazu angetan, den Aberglauben mit Angst und Drohungen zu schüren, Wohlverhalten, Ordnung und Fleiß zu erziehen, sowie weitere Hexen-Anzeigen zu erwirken.

 

 

Drutenzeitung

Eine Moritat.  

 

(In Anlehnung an den 1627 in Nürnberg gedruckten Text gedichtet, zu singen nach der Melodie: “Wie man die Dorothea singt”) [2]  

 

  1. Es wird einmal aufwachen, / der Richter, unser Gott, / in der Welt zuschanden machen / die zauberische Rott,  / die sich mit Leib und Seele  / dem Teufel gar ergibt / und fährt zur schwarzen Hölle / immer und ewiglich. 
     
  2. Da sie Gott ganz absagen / samt dem himmlischen Heer / und nimmermehr nicht fragen / nach seines Namens Ehr! / Den Menschen zu verderben, / verschreiben sich mit Blut / und also darauf sterben / mit verzweifeltem Mut.   
     
  3. Auf daß sie mögen haben / Wollust auf dieser Welt / mit Zauberwerk solch Gaben / desgleichen Gut und Geld, / wiewohl auch vornehm Weiber / dem Teufel zur Unzucht / hingeben ihre Leiber /  auf Buhlerei verrucht.
     
  4. Ein Wirtin, die man nennet / Großköpfin zu der Frist, / zu Zeil hat mans verbrennet / ihre Bekanntnis ist, / daß sie den Wein erfrieren / hab lassen dieses Jahr, / dem Teufel gar zu Ehren / zum Leid der Armenschar.
     
  5. Viel Leut sie hab traktieret / mit einem Gift gemein, / Mäus und Katzen vernichtet / wie gute Vögelein. / Ein Katz oft für ein Hasen / bracht sie wohl auf den Tisch, / die Gäste manchmal aßen / Raupen statt kleine Fisch.  
     
  6. Zu Bamberg wird gebauet / den Hexen gar ein Haus / den Druten davor grauet /  ein Tortur überaus, / man hat sie eingesetzet, / daß sie bekennen frei / sich ihrer Zauberei.
     
  7. Nach der Sanct Kilians Messe / hat man zu Würzburg brennt, / daß ich es nicht vergesse, / sie haben es bekannt, / daß sie die Kunst gelernet / in Lüften hoch zu fahren, / das übten sie gar häufig / es war ihnen nicht gram.
     
  8. Sie fuhren in ein Keller, / nach allerbestem Wein, / oftmals gut Muskateller / trinken sich wohl darein, / sie fahren auf die Schanze,  / auf den Heuberg so schön / sie trafen sich zum Tanze / das konnt man alles sehn.
     
  9. Hätt mans nicht eingekerkert / und jetzt und hingericht, /so hätten sie verdorben / gar manches Menschen Frucht / durch zauberische Taten / zu großer Hungersnot.
     
  10. Nichts wär wohl übrig blieben / von Rüben und von Kraut, / sie habens bös getrieben / so oft es uns auch graut, / wenn Gott sein Gnad entziehet / ob unserer Sünden Schuld, / uns wegnimmt seine Huld.   
     
  11. Ein Hex hat man gefangen / zu Zeil, die war sehr reich, / mit der man lang umgangen, / bis sie bekannte gleich, / denn sie blieb dran beständig / es g’scheh ein Unrecht ihr / bis man ihr schickt behende / den Henkersknecht allhier.  
     
  12. In einer Bärenhaute / kam er in ihre Tür / als wenn der Teufel wär, / als ihn die Trud anschaute, / meint ihr Buhl käm herfür.   
     
  13. Sie sprach zu ihm behende, / wie läßt Du mich so lang, / in der Obrigkeit Hände, / hilf mir aus ihrem Zwang, / wie Du mir hast verheißen / ich bin ja eigen Dein, / tu mich aus der Not reißen / o liebster Buhle mein.   
  14. Sie hat sich selbst gerichtet / und gab Anzeichen viel, / sie hat nicht geschmeckt / den  Braten, / was das war für ein Spiel. / Er tröstet sie und saget, / ich will Dir helfen wohl, / darum sei unverzaget, / morgen es g’schehen soll.   
     
  15. Dies hat er anvisieret / alsbald der Obrigkeit, / darauf mans examinieret / und nach Gerechtigkeit / mit Schwert und Feuer gerichtet, / desgleichen ein Hebamm / was dieselb hat verrichtet, / das will ich zeigen an.   
     
  16. Es liegt im Frankenlande / Freudenburg, eine Stadt, / da die Hebamm bekannte, / wie sie umgebracht hat, / wohl hundert Kinder kleine, / ihnen in der Geburt / das Hirn gedrücket eine, / eh man es inne ward.   
     
  17. Auch als sie war alleine, / da niemand zu tät sehn, / nahm sie das Kindlein kleine, / und tät damit umgehn, / verwechselt es dem Teufel, / der ihr ein andres gab, / von einer Hex ohn Zweifel / und würgt das andre ab.
      
  18. Was sie damit tät schaffen, / das höret nun ihr, / sie  das Kind in die Hafen / kochts ab und hielt Mahlzeit, / tät ihren Buhlen laden / zu solcher Gastenei / hört weiter, was für Schaden / hat sie getan dabei.   
     
  19. Das Wasser hat genommen / vom abgesottnen Kind, / als sie sah Leut herkommen / schüttet sie’s aus geschwind / als sie darüber gingen / wurden sie krumm und lahm. / Solch Taten tät’s verbringen / bis endlich die Straf kam.  
     
  20. Zu Würzburg hat gewohnet, / ein Wirt zum Falken gnannt, / sein Seel er nicht verschonet / verschrieb dieselb zu Hand. / Dem Teufel, er soll geben / alls was sein Herz begehrt, / hat einen Termin daneben / der Feind ihm das gewährt.   
     
  21. Wie er nun hat empfangen / nach seines Herzens Lust / und die Zeit so vergangen, / daß er nun sterben mußt, / bat er, es soll sich dulden / der böse Feind ein Jahr / dann hunderttausend Gulden / wollt er ihm geben gar.
     
  22. Der Satan zu ihm saget, / es hilft dir gar kein Bitt, / dein Seel mir wohl behaget, / deins Gelds bedarf ich nit, / was ich dir hab versprochen / das hab ich geben dir, / jetzt aber wird vollzogen, / daß ich zur Höll dich führ.   
     
  23. Hiermit nahm ihn der Teufel, / dreht ihm den Kopf zurück, / riß ihm auch ohne Zweifel / sein ganzen Leib in Stück, / führt ihn damit davonne / in höllischen Abgrund, / gab ihm also sein Lohne, / nach dem gemachten Bund.   
     
  24. O, was für grausam Sachen / geschehn an Ort und End, / daß Teufel gar tut machen, / die Leute so verblendt, / daß sie sich ihm ergeben / und haben ein kleine Zeit / auf Erden hier zu leben, / denk’n nicht an d’ Ewigkeit.   
     
  25. Ach Gott durch Deine Güte / führ mich auf rechter Bahn, / Herr Christe mich behüte / sonst  ich irre gahn, / halt mich im Glauben feste / in dieser argen Zeit, / hilf, daß ich mich stets rüste / zur ewigen Himmelsfreud.“

Es folgen nach den 25 Versen noch Warnungen vor Zauberei und einige durchaus lockende Zauberrezepte für den eigenen Bedarf. Mag sein, dass der oder die Zuhörerin gerade wegen dieser Rezepte das Blatt erwarb, denn die Bilder auf dem oberen Teil des Blattes sind nicht besonders attraktiv . Sie zeigen, wie drei wegen der erlittenen Folter auf einer Holzbahre liegende Hexen aus dem Hexenhaus zur Verbrennung gebracht werden. Rechts sind drei wollüstige, in Saus und Braus lebende Junker zu sehen, die vom Teufel geholt werden...

 

 

Bekenntnis dieses Unkrauts

(was die Hexen von ihrer Zauberei aussagten)   
 

Sie haben bekannt, wenn man das Haus oder die Stuben auskehrt und das  Böse (den Kehricht) hinter der Türe liegen läßt, wollen sie die Menschen dadurch verkrümmen und lahm machen, es kann sich auch der Teufel leibhaftig darin verbergen, und sie können wissen, was im ganzen Haus geschieht.   

Item, wenn ein Mensch Salz auf den Teller nimmt und das, was übrig bleibt, wieder in das Salzfaß tut, so werden viele Leute, die von diesem Salzfaß essen, verderben. Auch wer das Salz auf dem Teller liegen läßt, können sie (die Hexen) denselben Menschen damit verkrümmen und verderben und wenn sie es in eine Hollerstaude (Holunderbusch) werfen, dann wird er davon blind. 

Item, wenn sie Menschenkot nehmen und es in eines toten Röhrenbein tun, das danach in den Brunnen werfen, so dörren alle die aus, die davon trinken. 

Auch wenn ein Mensch Eier ißt und wirft die Schalen in das Gefäß oder Schüssel und zerdrückt sie nicht, so können sie einen Menschen damit verderben.

 

Sie (die Hexen) haben auch bekannt, wenn ein Mensch früh aufsteht und wäscht die Hände nicht, was er den ganzen Tag lang mit ungewaschenen Händen angreift, davon können sie Macht erhalten:

Wer auch mit Vieh umgeht, es sei Pferd, Kuh, Ochs, Schwein oder Schaf, so kann das Vieh nicht gedeihen und zunehmen und sie können es dadurch auch ums Leben bringen, auch können sie von ihnen die Milch, Butter, Käs und Schmalz bekommen, sie können auch die Kühe selber melken, deshalb werden sie in dem Frankenland auch Milchdiebin genannt. 

Item, wenn man die Füß wäscht und das Wasser die Nacht über stehen läßt, so können sie ihren Buhlen, den Teufel, darinnen baden, besonders in der Samstagnacht. 

Auch wenn jemand die Asche auf dem Herd zusammenkehrt und spricht nicht: das walt Gott, oder speit dreimal drein im Namen Gottes, des Vaters, der Sohnes und heiligen Geistes, so können sie von derselbigen Asche Feuer holen, wenn sie wollen, oder dasselbige Haus gar anzünden und brennen machen. Dieses mögen fromme Christen zur Warnung und zum Exempel dieses Ungeziefers nehmen.“ [3]

 

 

 


Quellen dieser Seite:

[1]   Sabine Weigand erzählt in ihrem historischen Roman zur Hexenverfolgung in Bamberg „Seelen im Feuer“ durchaus glaubwürdig von einer Entführung aus dem Gefängnis mit Hilfe einer Verkleidung als Satan.

[2]   Mehrfach wurde dieser Text als Moritat zu Trommelbegleitung in der Ausstellung in Nürnberg aufgeführt. Es sang Ute Rüppel.

[3]   Gedruckt zu Schmalkalden (richtig : Nürnberg ) im Jahr 1627. Einblattdruck, Drutenzeitung aus Nürnberg, 1627 gedruckt, Staatsarchiv Nürnberg, StAN B-Akten SIL 196 Nr.9 ( zur besseren Lesbarkeit verändert).